Seit Wochen turnt der Ausdruck «kulturelle Aneignung» auf den obersten Sprossen der Medienleitern. Dies hat mich veranlasst, mal sinnbildlich «über die Bücher» zu gehen, wobei die Ausgaben von Karl May, wie man seit ein paar Tagen weiss, leider entfallen müssen.
Schon die Umbenennung von Mohrenköpfen in Schaumküsse, teilte die Bevölkerung in zwei Lager. Hitzige Diskussionen entbrannten und diverse Schokoladenerzeuger fühlten sich unter Druck, die süsse Spezialität in hektischen Nacht- und Nebelaktionen mit neuen Bezeichnungen zu versehen. Schliesslich musste man vorbeugen, um drohende Umsatzeinbrüche zu verhindern. Es folgten die «Meitlibei», «Zigeunerschnitzel» usw. In den Schulen mussten Kreuze entfernt werden, Krippenspiele an Weihnachten entfielen. Wir hier zulande sollen unsere Bräuche ohne wenn und aber aufgeben! Weshalb toleriert die Mehrheit, dass Minderheiten derartig Einfluss nehmen können und sich erlauben, die Welt, in der auch wir leben, auf den Kopf zu stellen?
Inzwischen nimmt die minutiöse Suche nach weiterer möglicher kultureller Aneignung bizarre Formen an. Ein Auftritt der Reggae-Band Lauwarm wurde von den Veranstaltern abgebrochen. Einige Anwesenden fühlten sich unwohl, denn die weißen MusikerInnen trugen während des Konzerts farbige Kleidung aus dem Senegal und Gambia. Außerdem haben zwei der Bandmitglieder Dreadlocks auf ihren Köpfen. Das Grüppchen, das sich so unwohl fühlte, ist bis heute natürlich anonym geblieben, was ich als feige einstufe. Als Veranstalter hätte ich die Betroffenen höflich, aber bestimmt darauf hingewiesen, dass es noch andere Lokale gibt, in den sie sich sicherlich wohler fühlen könnten.
Was passiert als nächstes? Sollen die Wirte, die Sushi oder Chinesengerichte anbieten, der Inder um die Ecke, und so weiter, ihre Lokale schliessen? Was ist mit der schwarzen Frau, die sich eine Perücke mit glatten Haaren überzieht, weil ihr das gefällt oder dem schwarzen Mann, der mit Schale und Krawatte um die Ecke kommt? Kurse wie Yoga, Karate, Judo müssten aus den Programmen der Sport- und Fitnesszentren verbannt werden. Souvenirs aus fernen Ländern wie Masken usw., dürften in unseren Breitengraden keinen Platz mehr in den Häusern haben. Es gäbe weitere, unzählige Beispiele kultureller Aneignung, die Unwohlsein auslösen könnten.
Interessant ist, dass «persons of color» sich am wenigsten an diesen «kulturellen Aneignungen» stören. Es sind irgendwelche Sensibelchen, die sich verletzt fühlen. Verletztheit und Unwohlsein, sind gute Waffen, um Ziele zu erreichen. Wer will schon andere verletzen?
Auf der einen Seite schreit man nach «multikulti» und danach, dass viele Kulturen miteinander leben können, wenn der Wille da ist. Auf der anderen Seite schwebt stets das Damoklesschwert über Köpfen, die sich scheinbar durch irgendwelche Aneignung zu sehr in eine fremde Kultur begeben.
Denen, die sich so oft unwohl fühlen, ein Tipp: Igelt euch zuhause ein, trinkt Grüntee (Achtung: Ursprung China!) und lasst uns in Ruhe!