Hoi Bänker, was goht ab?

Letzthin tropfte der Honig meines Frühstückbrotes ungeachtet auf die Zeitung und somit auf den Artikel, der mich staunen liess. Ich persönlich esse den Honig lieber selbst, ihn jemandem um den Mund zu streichen, liegt mir fern. Ganz im Gegensatz zu einer unserer grossen Banken. Die versuchen das jetzt bei ihren Kunden. In Zukunft wird das förmliche «Sie» durch ein vertrautes «Du» ersetzt, vorausgesetzt der Kunde ist damit einverstanden (schön, doch noch die Wahl zu haben).

Das muss schon ein seltsames Gefühl sein, wenn der Kundenberater, den man jahrelang mit Herr oder Frau Müller, Meier begrüsst hat, sich plötzlich mit Roger, Yannick, Lea usw. vorstellt. Er wird dann abwarten, ob sein Gegenüber sich mit Susan, Klärli usw. begrüssen lässt. Sekunden der Verunsicherung könnten auftreten und wahrscheinlich wird eine gewisse Peinlichkeit in der Luft hängen. «Hoi Alex, was goht ab, alles klar? Schieb mir doch e paar Nötli über dr Trese». Das ist natürlich völlig überspitzt, aber ich habe gerade dieses witzige Szenario vor Augen.

Damit nicht genug. Die Bank setzt weiter auch auf ein cooles Outfit seiner Angestellten. Das Hemd wird durch ein T-Shirt, die Hose mit der korrekten Bügelfalte durch eine Chinohose ersetzt. Gekrönt wird der Style dadurch, dass die Füsse neu in Sneakers stecken und den blitzblanken Ledertreterchen die rote Karte zeigen. Die Tragpflicht von Krawatten bei Bankangestellten ist veraltet und muss wirklich nicht mehr sein. Trotzdem finde ich, das ist etwas viel Coolness aufs Mal. Hoffentlich werden die Geschäfte nicht so salopp abgewickelt wie das neue Erscheinungsbild sein wird.

Ich habe aber immer öfters den Eindruck, dass «alle Welt» im Dauerwohlgefühl, was Kleidung anbetrifft, durch die Gegend rennt. Ist das Bedürfnis, mal die Jeans und das T-Shirt im Kleiderschrank nach hinten zu schieben um sich mal «rauszuputzen», völlig verschwunden? Ja, ja ich weiss, es soll bequem sein. Mein Pyjama ist auch bequem! Nun schwappt diese Coolness also auch in die Banken über, die Institutionen, die bis anhin an Seriosität kaum zu überbieten waren. Ist das ein kluger Schachzug? Mir persönlich kommt dies einer Anbiederung an den Kunden vor, begleitet von einem schalen «Gschmäckle». Ähnliche Modelle kann man im Sozialwesen erkennen, wo niederschwelliges Auftreten den Kontakt zwischen Klientel und Dienstleistern fördert. Es ist fraglich, ob diese Masche im Bankenwesen ebenso positiv greifen wird.

5/5