Leise Tage

Es ist still geworden in den Städten und Dörfern. Am 16. März, als ich zum letzten Mal einen Termin wahrgenommen habe, hat sich beim Einsteigen ins Tram ein schales Gefühl in mir breit gemacht und just im nächsten Moment hustet ein Fahrgast was das Zeug hält. Alle haben wir die Hälse wie Giraffen gereckt, um festzustellen, von welchem Platz der Husten wohl kommen könnte. Es könnte ja sein, dass….Seit diesem Zeitpunkt verlasse ich das Haus nur noch, um im Wald zu trainieren oder meine beiden kleinen Hunde «Gassi» zu führen. Ab und an steigen wir ins Auto und fahren durch das Baselbiet. Ich weiss inzwischen, wo Ortschaften wie Ziefen, Bretzwil, Lauwil usw. liegen, tatsächlich war ich bis anhin noch nie in diesen Gegenden (mea culpa).

Weltweite Stille. Ein bleierner Schleier hat sich sanft auf die Erde gelegt. Wer nicht zur Arbeit muss oder wichtige Einkäufe tätigen, bleibt zuhause. Das ist lebenswichtig und richtig. Nur auf diese Weise wird dem Virus – soweit möglich – die Stirn geboten.

Auf vielen Plattformen sprechen sich die Menschen Mut zu. Mehrmals täglich erhält man via WhatsApp lustige Clips, «Mutmacher» nenn ich sie für mich. Ich freue mich über den Austausch, es sei denn, der gleiche Clip erscheint zehnmal proTag auf dem Smartphonedisplay! In einer Minute kann man lachen, in der nächsten fliessen lautlos Tränen, dies, weil die Reportagen im Fernsehen einem durch «Mark und Bein» fahren.  

Die Menschen rücken digital näher zusammen. Junge bieten der älteren Generation ihre Hilfe an, wirklich schöne Gesten, weltweit.

Unzählige Fragen schwirren in den Köpfen, wie die Zeit nach Corona sein wird. Gehen die Menschen achtsamer miteinander um, wagt man sich am Tag X der «Lockerungen» wieder frei auf die Strasse, in ein Café, in die Geschäfte? Ich denke am Anfang wird man vorsichtig, zaghaft und bescheiden sein. Zu tief stecken Respekt und Angst in den Leuten. Wir werden uns freuen, Bekannten und Freunden wieder begegnen zu dürfen. Vielleicht herrscht noch eine Zeit der Besinnung. Die Normalität wird als wahrer Luxus empfunden werden.

Langsam, fast unmerklich betreten wir peu à peu das Hamsterrad und die Dinge nehmen ihren Lauf, wie eh und je. Vieles muss – wirtschaftlich gesehen – aufgearbeitet und wieder ins Lot gebracht werden. Die Betriebe stehen unter hohem Druck und müssen rasch möglichst wieder in die Gewinnzone kommen, was völlig verständlich und richtig ist. Schliesslich wollen alle ihren Job und ihren Standard halten können, auch das ist normal und wird sich nicht ändern. Der Stau auf der Autobahn, das «Ellebögele» der Menschen im Job, der Blick auf die Uhr während man ungeduldig in der Warteschlange an der Kasse steht, das Denken «meine Haut ist mir am nächsten», alles das wird sich rascher wieder einfinden als man es zurzeit für möglich hält. Der Mensch tickt einfach so, es liegt in seiner Natur. Wenn diese schwierige Situation vorbei ist, muss sich jede und jeder wieder neu positionieren, seinen Arbeitsplatz bestmöglich verteidigen. Der Konkurrenzkampf im Detailhandel wird sich nicht als Zuckerschleck erweisen und mehr denn je zuspitzen. Eine harte Zeit steht uns bevor nach dem Virus, eine Zeit, die weitere, neue Spuren hinterlassen wird. Der Mensch bleibt Mensch. So sehe ich es, realistisch, nicht pessimistisch.

Bleiben Sie gesund!