Plagt Sie auch das schlechte Gewissen, wenn Sie sich einfach mal auf das Sofa schmeissen und den Gedanken nachhängen?
Mich schon. Es kann doch nicht sein, das ich einfach passiv daliege und nichts tue am helllichten Tag. Also schnelle gleich wieder hoch und beschäftige mich. Es gibt noch dies und das zu tun und überhaupt!
Das lief so bis vor ein paar Monaten. An einem Samstagmorgen beim Frühstück stiess ich in der Zeitung auf das Zitat von Jacques Lacan: “Der Genuss, das ist das, was zu nichts dient“. Ich liess diesen Satz einige Male durch meine Gedanken wandern. „Irgendwie gut diese Aussage“, dachte ich mir. So begann ich über das Wort Genuss zu sinnieren.
Genuss ist nicht nur das gute Essen aus dem Topf. Ein gutes Buch lesen, oder schlicht einfach mal auf dem Sofa abhängen, die Gedanken wandern lassen und nichts tun, das ist doch Genuss pur. Ich denke sogar, dass kleine Auszeiten einen Menschen weiterbringen. Geistig und körperlich. Man hält inne und stösst vielleicht plötzlich auf Fragen. Was will ich eigentlich wirklich? Bin ich noch im richtigen Job? Will ich dieses „Hamster im Rad“-Leben oder kann ich etwas daran ändern? Ist mir Geld oder mehr Freizeit wichtig? Jeder Mensch sollte sein Leben in gewissen Abständen überdenken. Ich glaube nicht daran, dass ich nochmals geboren werde. Also muss ich aus diesem einen Leben das mir geschenkt wurde, das Beste daraus machen. Selbst dann wenn es darum geht, eine Familie zu ernähren, ist dies kein Hinderungsgrund, etwas Neues zu beginnen.
Solche Auszeiten können auch mit Tätigkeiten verbunden sein. Es zieht nicht jeden aufs Sofa. Vielleicht findet man die nötige Ruhe beim Malen, beim Spaziergang mit dem Vierbeiner, beim Kochen, bei einem Glas Wein, es ist völlig egal wie und wo. Den Gedanken nachhängen, die Auseinandersetzung mit sich selbst erweitert den Horizont, lässt einen vielleicht Dinge ändern, die schon längst hätten angepackt werden müssen.
Das kommt Ihnen egoistisch vor? Mir anfangs auch. Es ist gar nicht so einfach, das Hamsterrad zum Stehen zu bringen und sich zu sagen: „Stopp, jetzt geht es mal um mich.“ Ein gesunder Egoismus bringt einen nicht nur persönlich weiter. Von einem zufriedenen Mensch profitiert auch sein Umfeld. Wenn man über sich nachdenkt und sich etwas zuliebe tut, sind die Batterien von Körper und Geist wieder voller Energie. Einfach mal „chillen“, nachdenken, seine Gedanken neu ordnen, halte ich persönlich für lebenswichtig.
Behandeln Sie sich gut! Gönnen Sie sich Auszeiten, bestehen Sie darauf, sich mal für eine Stunde weg von der Familie (und sei es bloss im eigenen Schlafzimmer oder in der Natur, im verwöhnenden Duft eines heissen Bads) Zeit für sich zu nehmen. Einfach nichts tun, einfach nur Sein. Oder eben bei einer geliebten Tätigkeit seine Gedanken schweifen lassen, Ordnung in der Seele schaffen.
Musse muss sein! Lassen Sie sich vor und an den Feiertagen einmal wirklich nicht in den Strudel mitreissen um in Hetzerei und Stress zu verfallen. Vielleicht bringt man ja den Mut auf und sagt die alljährliche Einladung, die einem so gar nicht zusagt, höflich aber bestimmt ab. Der- oder diejenige, die einladen, atmen vielleicht auch hörbar auf bei einer Absage. Diese Offenheit muss in einer Familie bzw. Verwandtschaft möglich sein, ohne dass Streitigkeiten entstehen. Dieser hausgemachte Stress jedes Jahr ist – wenn man sich das mal reiflich überlegt – unnötig. Weihnachten sollte ja ein Fest der Freude sein. Darunter verstehe ich: Freude und keine Zwänge!
Denken Sie mehr an sich, tun Sie sich mehr zuliebe!