Dauerbeschallung

In den meisten Einkaufsläden wird die Kundschaft mit Hintergrundmusik berieselt. So erweckt zum Beispiel Klassische Musik beim Kunden den Eindruck, dass die Ware hochwertiger und edler sein soll. Dies hält Prof. Alexander Hennig, Mannheim, in einer Studie fest. Die Tageszeit spiel bei den Musikkonzepten ebenfalls eine tragende Rolle, die Kundschaft zu beeinflussen, führt Henning weiter aus.

Bei jungen Menschen, die auf Shoppingtour sind, wird die Art und Lautstärke der Musik anders gewählt als in Geschäften mit Kundschaft älterer Jahrgänge.

Es gibt allerdings Verkaufsläden, da grölt die Musik bis auf den Gehsteig hinaus und die Bässe schlagen einem direkt in die Magengrube. Die Angestellten brüllen sich gegenseitig an, nicht, weil sie sich streiten, nein, sie tauschen wirklich nur geschäftliche Informationen und Anweisungen aus. Aber der Krach aus den Lautsprechern zwingt sie selbst, ungewöhnlich laut zu sein. Die Arbeitszeit in einem Laden ist lang, wie wir alle wissen und die Höhe an Dezibel müssen die Angestellten demnach während zahlreicher Stunden über sich ergehen lassen. Von Hintergrund-musik kann da wohl kaum mehr die Rede sein. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine solche massive Lautstärke die Kundschaft, egal welchen Alters, anlocken oder zu einem grösseren Einkauf verleiten sollte. In der Umkleide eines bekannten, spanischen Modegeschäfts, werde ich innerlich richtig aggressiv. Das Geplärre aus den Lautsprecherboxen, die über den Köpfen der Kunden thronen, ist richtig widerlich. Kürzlich habe ich in einem der Hype-Läden eine junge Verkäuferin darauf angesprochen oder vielmehr angeschrien, damit sie mich überhaupt versteht. Auf meine Frage, wie sie das aushält, hat sie mir erklärt, dass es Vorschrift sei, die Musik so laut aufzudrehen. Sie hätte manchmal auch echt Mühe damit und am Ende des Tages sei sie kaputt. Die Schilderungen der jungen Frau, die offen und ehrlich zugibt, dass die Arbeit zwar Freude bereitet, aber das Gedröhne viel Kraft raubt, bestätigt mein eigenes Empfinden. Die Zumutung der grossen Ladenketten an ihren Angestellten mit dieser Dauerbeschallung finde ich verantwortungslos.

Trifft man sich in einem Café oder Restaurant mit jemandem, um sich auszutauschen, ist es äusserst unangenehm, sein Gegenüber dauernd anbrüllen zu müssen oder aber bei jedem zweiten Satz nachzufragen. Es ist in meines Erachtens dreist, dass während des Essens oder bei einem gemütlichen Kaffeeplausch, den man vielleicht auch mal mit dem Lesen einer Zeitung verbringen möchte, ständig mit dröhnender Geräuschkulisse belästigt wird.
Angemessene Hintergrundmusik finde ich völlig in Ordnung. Die Lautstärke allerdings sollte soweit kundenfreundlich sein, dass man sich in normalem Ton unterhalten kann. Weshalb auch beinahe in jedem Restaurant ein Fernseher montiert ist und das Essen, weswegen man eigentlich ja ausgeht, zur Nebensache wird, ist mir ein Rätsel. Dauernd richten sich die Köpfe in Richtung Flimmerkiste, das finde ich daneben. Während einer Fussball-WM oder ähnlichem, kann man das noch irgendwie nachvollziehen. Ein feines Essen auswärts sollte aber mit allen Sinnen genossen werden und der Aufenthalt im Restaurant etwas Besonderes sein. Es reicht schon, wenn auf jedem zweiten Tisch das Smartphone klingelt oder die Message-Töne zu hören sind.

Mich regen die scheinbar so klug durchdachten Konzepte lauter Musik in Läden und Restaurants tierisch auf. Die Leute, die an ihren Schreibtischen sitzen und sich diese Strategien ausdenken, möchte ich gerne mal für eine Woche in den betreffenden Lokalitäten arbeiten lassen.